Viktor Eduard Prieb - Literatur
- Publizistik
Schock-Fotos:
Mit Toten vereint
oder
"O weh arme Yoricks!"

Das Bauobjekt sollte auf einer verwilderten Heide am Rande des Dorfes entstehen. So war es von Bauherren geplant und von Bauspezia-listen sowie von unserem Komsomolkomitee genehmigt. Kein Schwein interessierte sich dafür, was das für ein Ort früher war. Als wir uns bis in die Tiefe von 2 Meter eingebuddelt hatten, stoßen wir auf alte Holzsärge in den Gräbern eines früher hier gelegenen Friedhofs. Die fau-len Sargbretter hielten unseren Spaten nicht stand und wurden beim Stießen gleich durchgebrochen. Dabei ging in unsere Gräben so ein uner-träglicher und bestimmt ungesunder Gestank hinein, dass diese erst mal ordentlich durchlüften werden mussten, bevor wir restliche 0,5 Meter ausgraben konnten. Bei so einer Durchlüftungs-Zigarettenpause ent-stand dieses Foto. Jeder kann sich ausrechnen, wie viele Gebeine ein-schließlich Totenköpfe wir bei dieser unwillkürlichen "Friedhof-Schändung" rausgeholt hatten.
Berlin, 28.10. 2006

Das Foto unten ist inzwischen 35 Jahre alt. Wir, zwanzig im Durch-schnitt zwanzigjährige Studenten-Physiker an der Tomsker Staatlichen Universität in Sibirien, waren im Einsatz.

Wir wollten in unseren Sommerferien etwas Geld verdienen, ließen uns in eine von dem Komsomolkomitee unserer Uni organisierte Stu-dentenbaueinheit einschreiben und mussten in einem sibirischen Dorf eine Autowerkstatt mit Abmessungen 25mx12m (der Umfang ca. 75 m also) von Null an hochmauern. Eigentlich hieß es nicht von Null an, sondern von Minus 2.5m an, denn ein Fundament von 2.5m Tiefe musste mit Spaten ausgebuddelt und mit Beton gegossen werden. Alles war eine Knochenaufgabe, die wir unter armseligsten Lebensbedingun-gen in einer vierzehnstündigen Tagesarbeit erfüllen mussten.
Mit Toten vereint oder die armen Yoricks
(Bild vergrößern)


Totenkopfhysterie



Natürlich ist es immer lustig, wenn mehrere junge Männer egal aus welchem Anlass zusammenkommen. In dem Fall war es nicht besonders lustig, aber wir behielten unseren, wenn auch schwarz-makabren Hu-mor. Die Art des Humors hängt ja mit der Art einer konkreten Lebens-situation eng zusammen. Und Menschen, welche, in ihren warmen und gemütlichen Stuben sitzend, nie manche Lebenssituationen erlebten, können sich manche Humorarten weder vorstellen noch verstehen, die in diesen manchen Situationen aber nicht nur selbstverständlich, son-dern sogar von hilfreich bis zu lebensrettend sind.

Natürlich fiel uns der arme Yorick als Erstes ein, den Hamlet von Shakespeare kannte. So philosophisch eingestimmt kamen wir gleich auf die Vergänglichkeit des Auf-uns-Zukommenden und auch auf unsere eigene Vergänglichkeit trotz unseres noch jungen Alters. Unter diesem Motto wurde auch dieses Foto inszeniert: "Guckt Ihr, Leute, wie unwe-sentlich und verschwommen die Grenze zwischen der oberen noch le-benden und der unteren aus Totenköpfen aufgestellten Pyramiden ist!"

Wären wir damals im Krieg mit seinen tagtäglichen Lebensgefahren und Brutalitäten, hätten wir vielleicht den nächsten Gedankenzug be-züglich dieser in solchem Falle noch mehr unwesentlich gewordenen Grenze mit jugendlicher Bravur auch noch gemacht: "Und wir scheißen drauf, deswegen sind wir hier!". Wie hätte es wohl auf dem Foto ohne Worte ausgesehen? Wenn man dabei berücksichtigt, dass wir damals Russisch sprachen, und "darauf scheißen" im Russischen so gut wie "darauf Penis legen" bedeutet, kriegt man gleich das berühmt-berüchtigt gewordene "Schockfoto" von unseren deutschen Soldaten-Märtyrern in Afghanistan. Da wir nicht im Krieg waren und dorthin, wo das Foto gemacht wurde, von keinem geschickt worden, sondern freiwillig gefah-ren waren, kam es zu Spielerei mit Penissen nicht. Außerdem mochten wir damals mit unseren Penissen nicht öffentlich spielen, wenn schon, dann eher heimlich und jeder für sich.

Es ist Folgendes, was ich eigentlich hier sagen möchte: Ich kann die heutige bis zur Hysterie aufsteigende Aufregung mit diesen von Medien gelieferten "Schockfotos" nicht verstehen! Was mich eher aufregt, sind es ganz andere Dinge. Wie durften private Fotos ohne Genehmigung des Penisbesitzers weltweit veröffentlicht werden? Ich weiß nicht, woran die Jungs dabei gedacht haben, aber bestimmt nicht daran, dass diese Fotos die ganze einschließlich der muslimischen Welt zu betrachten bekommt.

Die Medien leben nun nach ihren Medien-Businessgesetzen, wo es sich nur um die geldbringenden Schlagzeilen handelt! Da ist keine Mo-ral, Ethik oder Zurückhaltung zu erwarten. Sie ergattern jeden Dreck, der ein paar Hunderttausend perverse Leser anlocken kann, und han-deln dabei mit moralischen Werten, wie z. B. die Kameradschaft, die Anständigkeit und Ähnliches mehr. Sie beeinflussen immer mehr die Menschen, die Gesellschaft, die öffentliche Meinung und schließlich die Politik. Die Demokratie eben, bei der kein Mensch-Wähler weiß, wer im Lande tatsächlich regiert und die Macht ausübt. Die Medien sind nun unantastbar und stehen nie zu Debatte!

Was allerdings, wenigstens bei mir, zu Debatte steht, ist es der von unseren Wählern, von unserem hochrangigen Militär, von unseren Poli-tikern begangene Verrat an unseren jungen Söhnen, die von denselbigen Verrätern gegen unser Grundgesetz in den Krieg, in den Terror und in den Tod als Soldaten geschickt worden waren. Sie sind dahin geschickt worden, um den US-Amerikanern ein Gefallen zu tun und irgendwelche niemandem bekannte oder nachvollziehbare Interessen Deutschlands am Hindukusch zu verteidigen!

Das ist immer dasselbe in der Geschichte, worüber ich bereits in meinem Roman "Der Zug fährt ab" geschrieben habe: Jede misslun-gene Friedensarbeit von Politikern wird in Kriegen auf Soldatenschul-tern ausgetragen und mit ihrem Blut bezahlt! Danach werden sie auch noch als "Sündenbock" zu Verantwortlichen und Verurteilten für die jedem Krieg eigenen Missstände, Brutalität und Gräueltaten gemacht!

Jetzt wird es pharisäisch über Werte, über Ehrfurcht der Muslime wie auch der Christen vor dem Tod und vor den Toten, über die Rache-züge der der durch diese von deutschen Medien veröffentlichten Fotos gekränkten muslimischen Terroristen gequasselt und bereits nach ent-sprechenden Strafparagraphen für die Totenruhestörung gesucht!

Was die Werte betrifft, kann ich allen gerne eine deutsche, also christliche Internetseite https://www.figuren-shop.de/ empfehlen. Dort wird ein reger Handel mit Totenköpfen betrieben und alle Werte sind in Euro aufgelistet. Ein Totenschädel-Aschenbecher hat für mich dort ei-nen besonderen Wert von knapp 11 Euro!

Abgesehen von Werten, die ein Mensch erst dann zu schätzen weiß, wenn er selbst mindestens eine Woche lang im Afghanistan auf die Pat-rouille fährt, hat alles andere Gequatsche gar keinen Grund! Noch vor der geplanten Untersuchung steht denselben Medienberichten zufolge fest, dass die deutschen Soldaten keinen Friedhof geschändet und keine Totenruhestörung begangen haben. Irgendein Friedhof – höchstwahr-scheinlich von sowjetischen Soldaten, wenn man die Ehrfurcht der Mus-lime eben vor ihren und nicht vor den anderen Toten, insbesondere vor den toten Feinden berücksichtigt, – wurde von den afghanischen Mus-limen selbst geplündert und geschändet, indem sie diesen zu Lehmgrube für ihre Lehmhütten gemacht hatten. Nach so eine Lehmförderung für ihre Hütten hinterließen sie einen Haufen Gebeins-Müll als "Gestein".

Was soll da die ehrfürchtigen Muslime noch kränken oder beleidi-gen? Vielleicht nur noch eins, dass ihre derartige Friedhofs-Schänderei und Totenruhestörung durch diese Foto-Geschichte ans Licht der Welt-öffentlichkeit gebracht wurde. Diese Lappalie, dass sich die deutschen Soldaten nicht durch die von mir empfohlene Internetseite, sondern durch einen afghanischen Gebeins-Müllhaufen bedienen ließen, um mit den makabren Totenkopfspielereien die beängstigenden und makabren Bilder von eigenem Tod aus ihren lebendigen jugendlichen Köpfen zu verdrängen, ist zwar beschämend, aber nun wirklich nicht kriminell! Außerdem sind die auf den Fotos präsentierten Totenköpfe so was von weiß, dass ich eher doch daran glaube, dass sie aus Polyresin wie die bei diesem Internetshop sind. Oder sie lagen schon so lange in der afghani-schen Sonne, dass aus ihnen nicht nur die Totengeister, sondern sogar ihre Knochensubstanz verflogen war.

Ich kenne mich mit Gebeinen und Totenköpfen nun gut aus, wie es das Foto oben auch zeigt. Noch als kleines Kind war ich auch mit ihnen vertraut, als ich in der sibirischen Verbannung am Friedhof aufwuchs und das mitansehen musste, wie alte Gebeine aus verfallenen alten Grä-bern bei neuen Bestattungen ausgebuddelt und einfach weggeschmissen wurden. So ähnlich passiert es auch in Deutschland wahrscheinlich, wenn jemand nach 20 Jahren kein Geld hat, die Pacht für das Grab sei-nes Nächsten zu verlängern. Es machte mir auch nichts aus, mit ihnen sogar einen Handel zu treiben, indem ich sie zusammen mit anderen Knochen bei einem Trödler gegen diverse Spielzeuge tauschte, wie ich es in meinem Kinderbuch "Der Kleine" schildere. Vielleicht deswegen auch kann ich die heutige Totenkopfhysterie wenig nachvollziehen.

Übrigens, Hysterie kommt aus Griechischem (hystera) und heißt "Gebärmutter". Nun frage ich mich: Wer und aus welchen Gründen hat diese Hysterie geboren, was gebärt uns noch und wohin führt uns noch diese "Gebärmutter"?

Dass die zwei Soldaten aus der Armee entlassen worden sind und nicht mehr im Afghanistan für Deutschland sterben müssen, ist es schon etwas Positives dabei. Es wäre als das Nächste noch zu tun, alle deutschen Truppen aus dem Ausland abzuziehen, die Wehrpflicht abzu-schaffen und eine professionelle gut ausgebildete und ausgerüstete Ar-mee nur innerhalb Deutschlands, höchstens innerhalb der Europäischen Union für die Verteidigung Deutschlands und EU gegen alle so vor den Toten ehrfürchtigen Terroristen und Aggressoren aller Art einzusetzen. Das würde auch ihrem eigentlichen alten Namen "Bundeswehr" bzw. vielleicht ihrem neuen Namen "Eurowehr", statt "Hindukuschwehr" besser entsprechen.

V. Prieb
Berlin, 28.10.2006



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