Viktor Eduard Prieb - Literatur
Poesie


Die echt verlorene Generation
(im Metrum des vier- und zweihebigen Jambus)

1986-1990, Ischewsk, Udmurtien, UdSSR,
Dinslaken, NRW, Deutschland

Zuneige ging die Schießerei,
Die Volkes Blutes Gießerei
Schloss ab erfolgreich.
Das siebzehnt' Jahr zum dritten Male
Errichtet' Chaos wie Vandale
In meinem Volke.

Im Sowjet-Eden wuchs doch nichts:
Verbannt Verwandte das Gericht
Weit weg nach Norden,
Verbaute Mob Marmor, Granit,
Von jedem Grabstein-Monolith
In Straßenboden.

Nicht ich vererbte Ahnen Ruhm,
Inschriften Gold, zerstreut herum,
Die Straßen fremden.
Geburten brach das Schicksal nicht,
Als Fünften schenkt' dem Vater mich,
Die Mutter-Heldin.

Bei mir war alles einfach dort:
Ich war geborn an einem Ort
Für Deportierte.
Nicht mit dem reichem Brokatsaum,
An einem alten Friedhofzaun –
Dort, wo's passierte.

Das Jahr war nicht vom Hungermaß,
Wo man sich rettete mit Grass,
Wie früher viele.
Von meiner kranken Mutter ich
Nahm mein anfängliches Gewicht
Dreieinhalb Kilo.
Es gäbe sonst auch kein Problem,
Erwürge mich auch noch zudem
Nabelschnur-Killer.

So hörte niemand ersten Schrei,
Geboren still, gewohnt' ich gleich
Zu solchem Schicksal.
Ich wuchs im Schweigen einen Grabs.
Als Einschlaflieder für mich gab's
Begräbnis-Schluchzer.

Als ich geborn war, war's April,
Doch alles war nach Russlands Stil
Voll Schnee und Wehen.
Ob leben wollte ich od' nicht,
Die Eltern könnten fragen mich.
's war nicht geschehen.

Der alte Schnee schmolz, wurde flüssig,.
Die Ufer, stürzend in die Flüsse,
Entdeckten Leichen.
Das Volk genoss den neuen Lauf,
Die Zungen tauten langsam auf
Und wurden weicher.

Rinnsale flossen aus KZs,
Gefüllt noch immer bis zuletzt
Von Feindes Horden.
Der "Schnurrbart" ward Anachronismus,
Bevor stand neuer Kommunismus.
Draus'st nichts geworden.

Die "Glatze" wurde abgelöst.
Der "Augenbrauen" Zeit ging los,
Diebstähle Ära.
Ich wurde siebzehn zwischendurch,
Doch Jugend schnitt die Frage durch
Ce-eS-eS-eR ja.

Erschienen Hippies, Beatles damals,
Prophet gesteinigt abermals –
Es war mir Schnuppe.
Gestank unter den Panzern nur
War ich, erwürgt durch Nabelschnur,
Für Sowjets-Truppen.

Das Wichtigste fehlt doch hier noch:
Studentenzeit im Nu verflog.
Ich war froh trotzdem.
Kein höh'res Maß hatt' ich geschafft
Zum Messen meine junge Kraft
Als Gläser Wodka.

Nach Nischen suchte ich Jahrzehnt.
Ich war mal reich, mal arm dezent –
Wie man es regelt.
Kalym versagt, kommt Wissenschaft,
Wird eng mal hier, zurück ich schafft',
Doch blieb integer.

So bliebe ohne Sünden ich
In Keuschheit Knien und Gedichts
Trotz all Tyrannen.
Doch's kam schon wieder Schalte-Jahr
Erwürgten Sowjets nun sogar
Afghanistaner.

Zweimal den siebzehnten April
Ist mit Sinnlosigkeit gefüllt
Und es nicht spurtet.
Lass schmelzen Dreck des Schnees verfluchten,
Vergib mir Gott, jetzt als dem Flüchtling,
Doch nicht den Schurken.

Erstickt in Scheiße jedes Mal,
Erwürgt durch Nabelschnur nochmals,
So ward brandmarkt ich.
Und denke, lesend im Roman,
Sie kommen gar nicht bei mir an,
Hem und Remarque je.
x x x


Die Familienchronik:

Das Fürstentum Württemberg, Römisches Reich Deutscher Nation bis 1804;
Deutsche Schwarzmeerkolonie, Prischib, Russisches Zarenreich, 1804-1919;
Die Ukraine, UdSSR, 1919-1943,
Das Flüchtlingslager, die Front, Drittes Deutsches Reich, 1943-1945;
Das sowjetische KZ, Ural, UdSSR, 1945-1947;
Die Sondersiedlung für Deutsche, Sibirien, April 1951-1968;
Uni, das Akademie-Städtchen, Nowosibirsk, 1968-1970;
Uni und Forschungsinstitute, Tomsk, 1970-1985;
Das Akademie-Forschungsinstitut, Ischewsk, 1985-1990;
Das Flüchtlingslager, Dinslaken, NRW, BRD, 1990-1993;
Das neue Leben, Berlin, Vereinigtes Deutschland, 1993-2023-….


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(PDF-Digitalskripte)