Viktor Eduard Prieb - Literatur
Poesie

Aus meinem im Jahre 2017 verlegten poetischen Sammelband
„Was gereimt werden muss“ (143 Seiten) ISBN 978-620-2-44365-4

"Ehre, wem Ehre gebührt!"
Russische Version“
Frühling 2014, Berlin.
Update 24.02.2022
als Geschichtshilfe für den Geschichtslaien Putin

Гімн України
"Ще не вмерла Україна"

(В метре семистопного трохея)

Ще не вмерла України, ні слава, ні воля,
Ще нам, браття українці, усміхнеться доля.
Згинуть наші вороженьки, як роса на сонці,
Запануєм і ми, браття, у своїй сторонці.

Душу й тіло ми положим за нашу свободу,
І покажем, що ми, браття, козацького роду.

Станем, браття, в бій кривавий від Сяну до Дону,
В ріднім краю панувати не дамо нікому;
Чорне море ще всміхнеться, дід Дніпро зрадіє,
Ще у нашій Україні доленька наспіє.

Душу й тіло ми положим за нашу свободу,
І покажем, що ми, браття, козацького роду.

А завзяття, праця щира свого ще докаже,
Ще ся волі в Україні піснь гучна розляже,
За Карпати відоб'ється, згомонить степами,
України слава стане поміж ворогами.

Душу й тіло ми положим за нашу свободу,
І покажем, що ми, браття, козацького роду.

* * *


Слова: Павла Чубинського
Музика: Михайла Вербицького
Die Nationalhymne der Ukraine
“Noch nicht starb die Ukraine“

(In Metrum des siebenhebigen Trochäus)

Noch nicht starb die Ukraine, weder Ruhm, noch Wille,
Noch uns, Brüder-Ukrainer, lächelt Schicksal stille.
Unsre Feinde noch verschwinden, wie Tau in der Sonne
Und wir, Brüder, führen selber unser Land zu Wonne.

Leib und Seele geben dahin wir für unsre Freiheit,
Und wir, Brüder, zeigen unsres Kosakenstamms Reinheit.

Brüder, stehen auf für blutig' Schlacht von San bis Done
Lassen wir in Heimat niemand herrschen von dem Throne;
Schwarzes Meer wird lächeln noch und Vater Dnjepr sich freuen,
Wieder wird das Schicksal unsrer Ukraine blühen.

Leib und Seele geben dahin wir für unsre Freiheit,
Und wir, Brüder, zeigen unsres Kosakenstamms Reinheit.

Eifer und die ehrlich' Arbeit werden sich beweisen,
Noch verlautet Lied darüber in unseren Kreisen,
Drängt es hinter die Karpaten und die Steppenränder,
Und der Ruhm der Ukraine wird bekannt noch Fremden.

Leib und Seele geben dahin wir für unsre Freiheit,
Und wir, Brüder, zeigen unsres Kosakenstamms Reinheit.

* * *

Text von Paul Tschubinsk (1862)
Musik von Michael Verbitsky (1865)


Dieser im Herbst 1862 gedichtete Text wurde zusammen mit der im Jahre 1865 von dem katholischen Priester komponierten Musik zur pat-riotischen Nationalhymne der Ukrainer, noch lange bevor es die Ukrai-ne als eigenständigen Staat gab.

Ich übersetzte dieses Gedicht ins Deutsche, damit wir hier, in Deutschland, die Nachrichten von dem Unabhängigkeitsplatz (Majdan Nesaleschnosti) in Kiew und die dramatischen blutigen Ereignisse auf dem Majdan, den für uns in unserer wohlhabenden Sicherheit vielleicht kaum vorstellbaren Mut, mit dem die Menschen dort den Kugeln des Regimes entgegentreten, besser nachvollziehen bzw. mitfühlen können.

Diesem Zweck kann auch ein kurzer Exkurs in die Geschichte dieses slawischen Landes von der Entstehung bis in die heutige Zeit gut die-nen.

Das Territorium der heutigen Ukraine wurde zur Zeit der Völker-wanderung von Ost-Goten besiedelt, die aus dem Norden (Region Weichsel-Delta an der Ostsee) kamen. Die Nordküste des Schwarzen Meeres und die Halbinsel Krim wurden in der Antike von Griechen in griechischen Kolonien (Chersones) besiedelt, später von dem Römi-schen Reich einverleibt, dann von Chasaren, nomadischen Steppen-stämmen aus dem Osten, erobert und standen danach bis ins XIV. Jh. unter der byzantinischen Kontrolle, als sie von Venezianern erobert wurden. Seit der Mitte XV. Jh. übernahm diese Gebiete das Osmanische Reich.

Im IX. Jahrhundert war an der Handelsroute von Skandinavien nach Konstantinopel von Ostslawen unter Einfluss von Warägern (Wikin-gern) Kiewer Rus errichtet worden, ein Großreich mit Hauptsitz in Kiew (gegründet im Jahre 840, während Moskau erst im Jahre1147, also über 300 Jahre später gegründet wurde). Das Reich wurde zwischen den Jah-ren 980 und 1015 von dem Fürst Wladimir dem Großen (Namensbedeu-tung "Weltherrscher") regiert.

Im Jahre 988 christianisierte Fürst Wladimir sein Volk nach byzanti-nischem Ritus. Im Süden grenzte Kiewer Rus mit den von nomadischen Stämmen (Petschenegen, Polowzen) besetzten Steppengebieten der Schwarzmeerküste, die bis zum XIII. Jahrhundert regelmäßig mit ihren Raubzügen ins Reich einfielen.

Im XIII. Jh. wurde Kiewer Rus durch mongolische „Goldene Horde“ erobert. Später bildeten sich die ostslawischen Nachfolgestaaten Mos-kowien, Wolhynien und Republik Nowgorod. Seitdem galt in Russland der Spruch: "Kiew ist die Mutter von russischen Städten!" Moskowien verleibte sich im XVII. Jh. die östliche Peripherie der alten Kiewer Rus ein und eignete sich den Namen "Rus", später „Russland“ an. Seitdem wurde für die süd-westlichen Teile der Kiewer Rus der Begriff „Ukrai-ne“ (Randgebiet, Peripherie) gebraucht.

Bis zum XIX. Jh. hießen deren Bewohner „Kleinrussen“ (Maloros-sen), danach entstanden Nationalitätsbegriffe Ukrainer und Weißrussen. Zu diesem Zeitpunkt der Stärkung des nationalen Selbstbewusstseins und mit Anlehnung an die Kosakenstaaten Saporischschja Sich (um 1500) am Dnjepr und Hetmanat von Bohdan Chmelnyzkyj (1648-1651) entstand auch dieses Gedicht.

Ab XII. Jh. Bildete sich als eigenständiges, nach Westen orientiertes Fürstentum „Halytsch-Wolhynien“ (Galizien und Wolhynien), dessen Städte wie Lemberg (Lwiw) sogar Magdeburger Stadtrecht einführten. Im XIV. Jh. wurden die nord-östlichen Gebiete des Fürstentums und zentral-ukrainischen Gebiete am Dnjepr mit Kiew durch Eroberungs-krieg zu einem Teil des Großfürstentums Litauen. Den süd-westlichen Teil des Fürstentums (Galizien) eroberte Polen. Seit 1569 gingen all die-se ukrainischen Gebiete an Polen.

Der Süden der heutigen Ukraine wurde zu einem eigenständigen, un-ter osmanischer Schutzherrschaft stehenden Krim-Khanat (Krim-Tataren). Große Teile der Steppengebiete in der heutigen Südukraine wurden in der Zeit 1368–1783 von den Nachkommen der Nogaier-Horde, den Schwarz-Nogaiern, beherrscht und in Gemengelage besie-delt.

Im Jahre 1648, nach dem Kosakenaufstand gegen die polnisch-litauischen Adligen, errichtete Bohdan Chmelnyzkyj einen eigenständi-gen ukrainischen Kosakenstaat (Hetmanat) mit Regierungssitz in Tschyhyryn, der aber 1651 durch Bündnisse mit Russland und Osma-nischem Reich wieder schnell in Abhängigkeiten geriet. Daraufhin wur-de die Ukraine zwischen Polen (Rechtsufrige Ukraine) und Russland (Linksufrige Ukraine) geteilt. Nach dreimalige Teilung Polens 1772, 1793 und 1795 wurden Ost-Galizien österreichisch und der Rest der Westukraine russisch.

Die in russisch-osmanischem Krieg 1768-1783 von Katharina der Großen eroberten Schwarzmeergebiete („Nogaier-Steppen“ zwischen Dnjepr und Don) sowie die von Fürst Potjomkin annektierte Halbinsel Krim (das Krim-Chanat) wurden zusammengefügt und von Katharina "für immer und ewig" zu dem Territorium des Russischen Reiches" de-klariert. Diese Territorien wurden im Jahre 1796 zu einem russischen Gouvernement "Neurussland" (Noworossia) vereint.

Noworossia umfasste die Gouvernements Jekaterinoslaw, Cherson und Taurien. Es wurden Städte Sewastopol (1783, neben den Ruinen der altgriechischer Stadt Chersones) als Festung und Militärhafen für die russische Schwarzmeerflotte und Simferopol (1784) auf der Halbin-sel Krim sowie die Hafenstadt Odessa (1793) gegründet. Die bisher fast unbewohnten und durch Ackerbau unberührten Steppengebiete wurden nach der Einladung vom Zaren Alexander I. (sein Erlass vom 20.02.1804) durch die deutschen Auswanderer, die neuen Schwarzmeer-Kolonisten (Schwarzmeerdeutsche) besiedelt und kultiviert.

Im XIX. Jahrhundert, zur Zeit der Entstehung der Hymne, entwickel-te sich ukrainische Nationalbewegung. Das Erwachen des nationalen Selbstbewusstseins war kein ukrainisches Phänomen. In dem post-napoleonischen Europa führte dieses zum Entstehen von Königsreich Italien und Kaiserreich Deutschland. In der Ukraine führte die sich in Kiew formierte und die Unabhängigkeit von Russland einfordernde Be-wegung zu nichts! Die Ukraine blieb bis zum Jahre 1917 ein Bestandteil des Russischen Zarenreiches.

Während des Ersten Weltkriegs unterstützte das Deutsche Reich die-se Bewegung der Ukrainer. Nach der Februarrevolution 1917 in Pet-rograd (ehemalige Sankt Petersburg) und dem Sturz der Zarenregierung kam am 4. März in Kiew der Ukrainische Nationalkongress zusammen. Der Kongress wählte einen obersten Rat (ukr. Zentralna Rada, „Zentral-rat“ ). Dieser rief die Unabhängigkeit der Ukraine aus und trat in Ver-handlungen mit der provisorischen russischen Regierung.

Nach der Oktoberrevolution und Lenins Dekret über Selbstbestim-mung der Nationen rief der Zentralrat zunächst eine Autonomie aus, am 22. Januar 1918 dann die voll selbständige Ukrainische Volksrepublik. Verbände einer bolschewistischen Gegenregierung eroberten am 8. Feb-ruar Kiew, wurden jedoch durch die deutschen nach Bestimmungen des Friedensvertrags von Brest-Litowsk zum Schutz der deutschen Kolonis-ten in die Ukraine einmarschierten Truppen vertrieben. Die deutsche Regierung setzte General Pawlo Skoropadskij als Hetmann an die Spit-ze des ukrainischen Staates. Er bestimmte von April bis Dezember 1918 die Geschicke des unabhängigen Landes.

Nach dem Abzug der deutschen Truppen im Herbst 1918 herrschte auf dem ukrainischen Territorium in den Jahren 1919-1920 der Bürger-krieg, in dem auch die Selbstschutztruppen der deutschen Kolonisten zunächst eigenständig und später zusammen mit den Kosakenverbän-den an der Seite der Weißen Garde teilnahmen. Die Bolschewiken ent-schieden schließlich den Krieg für sich. Schon 1919 wurde die Ukraine (ohne Ost-Galizien) zu einer der Sowjetrepubliken. Ebenso erging es der Volksrepublik Krim, welche sich Ende 1917 zu einer unabhängigen Re-publik der Krimtataren ausrief, und wenige Monate später, 1918, sow-jetisiert wurde.

Im östlichen Teil Galizien bildete sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs im Januar 1919 die Westukrainische Volksrepublik Sach-idno-Ukrajinska Narodna Respublika (SUNR), deren Hauptstädte nacheinander Lemberg, Ternopil und Stanislau (heute Iwano-Frankiwsk) waren.

Die im Südwesten des Landes gelegene Karpatenukraine, die bis 1919 zu Ungarn gehörte, fiel 1919 an die neugegründete Tschechoslo-wakei. 1921 musste die Westukrainische Volksrepublik nach dem pol-nisch-ukrainischen Krieg kapitulieren. Nach dem Krieg zwischen Polen unter Führung von Piłsudski und Sowjetrussland wurde Ostgalizien polnisch.

In der Zentral- und Ostukraine setzte sich die sowjetische Herrschaft durch. Im Jahre 1922 wurde die Ukrainische Sozialistische Sowjetre-publik offiziell ein Teil der neu gegründeten UdSSR. Im Rahmen der sowjetischen Industrialisierung wurden im Osten der Ukraine heutige Industriegroßstädte Dnipropetrowsk (Chemie), Kriwoj Rog (Stahlin-dustrie), Donezk, früher Stalino (Schwerindustrie, Kohlebergbau), Ma-riupol (Metallurgie) und Charkiw (Flugzeugbau) zu großen wirtschaftli-chen Zentren. Das führte zum Massenzuzug der russischen Bevölkerung aus den infolge der Kollektivierung hungernden ländlichen Regionen des Zentralrusslands als Arbeitskräfte.

Während der Industrialisierung und Kollektivierung in 30ern Jahren verhungerten durch die künstlich verursachte Hungersnot, verstarben an Seuchen und wurden durch sowjetisches Terror vernichtet 6-7 Milli-onen Ukrainer. Für die Völkermordforscher ist es die „schnellste gegen eine einzelne Volksgruppe gerichtete Massentötung des XX. Jahrhun-derts und womöglich der Geschichte“. Als Motiv wird die „Brechung der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung“ angenommen.

Also, Putins Behauptung darüber, dass die Ukraine schon immer ein Teil Russlands und kein selbstständiger Staat mit eigener Geschichte und Kultur war, ist einfach Putins historisches Delirium! Er hat in sei-ner KGB-Schule aus der Weltgeschichte nur die Geschichte der von ihm geliebten UdSSR gelernt, ansonsten hat er keinen blassen Schimmer da-von. Mit dieser Unbelastetheit kann sein Gehirn leicht noch so viele his-torische Fabeln-Delirien erfinden, um z.B. die blutige sowjetische Um-armung der Ukraine zu der brüderlichen Liebe von siamesischen Zwil-lingen zu erklären.

Im Zweiten Weltkrieg fanden die deutschen Truppen in der Ukraine etliche Unterstützer gegen die Sowjetmacht. Der blitzartige Einmarsch der deutschen Wehrmacht ersparte zunächst den Schwarzmeerdeut-schen in der Ukraine das Schicksal ihrer Landsleute in der Wolgarepub-lik, die nach dem Erlass des Politbüros der KPdSU vom 28. August 1941 nach Sibirien und Mittelasien deportiert wurden. Nach dem Kriegsende mussten dennoch auch sie den Wolgadeutschen in die Ver-bannung folgen.

Während der deutschen Besatzung stand „Reichskommissariat Ukra-ine“ zum größeren Teil unter deutscher Zivilverwaltung. Die Ukraine war neben den baltischen Staaten und Weißrussland einer der Haupt-schauplätze an der Ostfront. Zwischen 1943 und 1947 gab es eine star-ke nationalistische Unabhängigkeitsbewegung (ukrainische aufständi-sche Armee – Ukrajinska Powstanska Armija – UPA).

Der im Jahre 1909 in österreichischem Galizien geborene Stepan Bandera war der Anführer der ukrainischen, während und nach dem Zweiten Weltkrieg für die Unabhängigkeit der Ukraine sowohl gegen die deutsche Wehrmacht als auch gegen die Sowjetmacht kämpfenden Na-tionalisten. Zwischen dem Juli 1941 und dem September 1944 wurde Bandera von Deutschen im KZ Sachsenhausen festgehalten. Im Jahre 1946 flüchtete Bandera nach München, wo er 1959 von den KGB-Agenten umgebracht wurde. Seine UPA zerfiel in kleine Gruppen, die bis Ende der 1950ern Jahre gegen die Sowjetherrschaft und gegen die Rote Armee einen erbitterten Guerillakrieg führten.

Schließlich wurde die UPA niedergeschlagen und rund 300.000 Uk-rainer wurden nach Sibirien deportiert. Von der sowjetischen Propa-ganda wurden diese Kämpfer als Banderas Banditen und "Banderowzy" bezeichnet. Diese Bezeichnung lebte immer dann auf, wenn sich die Uk-rainer für ihre Unabhängigkeit von Russland stark machten.

Ansonsten wurden alle Westukrainer als "Banderowzy" betrachtet. So auch heute werden alle Maidan-Kämpfer von russischer Propaganda in Moskau, in der Ostukraine und auf der Krim als Banderowzy be-schimpft, um die Angst bei der ukrainischen Bevölkerung russischer Nationalität vor deren Repressalien zu schüren. Dabei erklärte Bandera und seine UPA nie den Kampf den Russen in der Ukraine. In dem noch vor dem Einmarsch der regulären deutschen Truppen am 30. Juni 1941 von Bandera in Lemberg angerichteten Massaker wurden rund 7000 überwiegend Kommunisten und Juden ermordet.

Die Assimilations- und Russifizierungspolitik wurde von Stalin in al-len Sowjetrepubliken nach einem und demselben sichersten und erprob-ten Muster durchgeführt: Hungernöte, Erschießungen, Inhaftierungen in KZ und Deportation der einheimischen Stammbevölkerung (Deutsche, Letten, Litauer, Esten, Ukrainer, Kalmyken, Tataren, Tschetschenen, Inguschen) und Ansiedlung auf deren Territorien von Russen.

Diese von Stalin gelegten „Tretminen“ gingen bereits noch während der Perestroika und erst richtig nach dem Zerfall der UdSSR hoch. Sie tun das immer noch und gaben der Regierung Russlands angebliches Recht, sich überall auf dem ganzen Gebiet der Ex-UdSSR zum Schutz von „Russen“ politisch und militärisch wie in Baltischen Republiken, Kaukasus, Mittelasien und heute nun in der Ukraine einzumischen.

Was die Definition des Begriffs „Russen“ dabei bedeutet, variiert sich, wie man es jeden Tag auch in dem ukrainischen Konflikt hört, an-ders: von „russischsprachigem Teil der Bevölkerung“ (Putin im Inter-view vom 3. März 2014), bis hin zu „unseren russischen Bürger“ (Au-ßenminister Lawrow am 2.-3. März 2014 vor dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf).

Mit der ersten Definition kann man alle vor allen schützen, denn nach dem Gesetz von 1938 wurde Russisch in der ganzen UdSSR als schulpflichtige Staatssprache eingeführt und alle Sowjetbürger sprachen und sprechen immer noch Russisch, wenn auch viele mit ihrem starken nationalen Akzent.

Die zweite von dem höchsten russischen Diplomaten Lawrow ver-kündete Definition ist eine typisch imperiale Unverfrorenheit! Die lässt auf jegliches "Political Correctness" verzichten, denn alle in der Ukraine einschließlich der russischsprachigen Einwohner der Halbinsel Krim und ausschließlich nur russischer Touristen und der Angehörigen der russischen Schwarzmeerkriegsflotte in Sewastopol besitzen ukrainische Bürgerschaft und ukrainische Pässe.

Die ursprüngliche Idee, russische Pässe unter der Bevölkerung der Krim wie in Ossetien und Abchasien zu verteilen, um deren Besitzer dann als russische Bürger zu verteidigen, war schon etwas korrekter. Nur die Fortsetzung dieser Idee, irgendwelche Referenden unter den Bürgern mit russischen Pässen auf dem ukrainischen Territorium durchzuführen, war ziemlich blöd!

Wenn die Weltgemeinschaft solche Argumente geltend machen lässt, dann gute Nacht! Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden alle Staaten der Welt von Australien und Neuseeland über Europa bis nach Amerika mit „russischsprachigen Bürgern“ genau nach der Definition von Putin und Lawrow besudelt. Wenn einer von denen oder sogar eine Organisation von denen wie z. B. Zentralrat der Juden in Berlin einen „Janukowitsch-Zettel“ an Putin schreibt, sind gleich die gepanzerten Retter aller Russen da, in jeder Ecke der Welt.

Doch kehren wir nun zu der Hymne zurück. Jedes Mal, bei jedem Unabhängigkeitsversuch wie zwischen den Jahren 1917-20 oder Unab-hängigkeitskampf wie zwischen den Jahren 1940-1959 klang offiziell oder inoffiziell diese stolze Hymne! Deswegen war sie in der UdSSR strengst verboten und das Singen dieser Hymne wurde mit einer vieljäh-rigen Haft bestraft. Nach der Auflösung der Sowjetunion und der Grün-dung einer unabhängigen Ukraine 1991 wurde die Musik als Hymne in Artikel 20 der ukrainischen Verfassung festgeschrieben. Erst am 6. März 2003 wurde das von Präsidenten Kutschma eingebrachte Gesetz „Über die Nationalhymne der Ukraine“ im Obersten Rat verabschiedet. Das Gesetz hat den oben dargestellten Text mit der dazu gehörenden Musik zur Nationalhymne der heutigen unabhängigen Ukraine erklärt.

Abgesehen von allen Verboten ist mir diese Hymne seit meiner Ju-gend geläufig. Nachdem wir, vier Brüder, zu Erwachsenen wurden und zu unserem Vater, dem deutschen Ex-Kolonisten aus der Ukraine, Ex-Waffen-SS-Zwangssoldaten aus Deutschland, EX-Häftling des sowjeti-schen KZs im Ural, einer von vielen multinationalen Zwangssibirier, zu regelmäßigen Foren-Familienversammlungen kamen, klang nach dem Essen und Trinken im Elternhaus immer wieder diese Hymne! Sie wur-de durch Vaters dicke Bassstimme angeführt, durch sein Gitarrenspiel und durch seine Heimatweh begleitet und von vier seinen heimatlosen Söhnen nach Kräften mächtig verstärkt: „Душу й тіло ми положим за нашу свободу!“ (Leib und Seele geben dahin wir für unsre Freiheit!).

Und fiel die Last der Erniedrigungen und der sibirischen Verbannung von unseren Seelen ab! Und unsere Seelen flogen über totgefrorene Un-endlichkeit Sibiriens weit weg zur Heimat unseres Vaters, zu den von uns nie gesehenen Steppen Tauriens, zu dem Heimatland unserer deut-schen Vorfahren, Kolonisten-Pionieren, zu ihrem Leid, zu ihrem harten Überlebenskampf, zu ihrem glorreichen Aufstieg und zu ihrem durch Sowjets angerichteten Untergang! Den Seelenflug und –ruf erlebte ich immer wieder, als ich diese Hymne auf dem Majdan vor dem Hinter-grund von Schüssen und Salven hörte und mitsang!


Aus meinem poetischen Sammelband
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